22.2.05
Was ist ein Problem? Was ist eine Aufgabe?
Das Wort Problem kommt vom griechischen "problematon" = "Das, was zur Lösung vorgelegt wurde" und vom griechisch-lateinischen "problema" = "das Vorgelegte, die gestellte Aufgabe, die Streitfrage" (DUDEN Herkunftswörterbuch).
Im Alltagsgebrauch bedeutet das Wort Problem "schwierige zu lösende Aufgabe; Fragestellung; unentschiedene Frage; Schwierigkeit" (DUDEN Fremdwörterbuch).
Was ein Problem - und in Abgrenzung dazu eine Aufgabe! - ist, versucht die (Kognitions-)Psychologie zu erklären:
- Ein Problem besteht z.B. dann, wenn eine Person ein Ziel hat und nicht "weiss", wie sie dieses Ziel erreichen soll. Wo immer sich der gegebene Zustand nicht durch das Ausführen selbstverständlicher Tätigkeiten in den erwünschten Zustand überführen lässt, wird das Denken auf den Plan gerufen. (Duncker, K. (1935): Zur Psychologie des produktiven Denkens. Berlin: Springer)
- Eine Person steht einem Problem gegenüber, wenn sie sich in einem inneren und äusseren Zustand befindet, den sie aus irgendwelchen Gründen nicht für wünschenswert hält, aber im Moment nicht über die Mittel verfügt, um den unerwünschten Zustand in den erwünschten Zielzustand zu überführen. (Dörner, D. (1976): Problemlösen als Informationsverarbeitung. Stuttgart: Kohlhammer)
- Von Problemen ist also die Rede, wenn die Mittel zum Erreichen des Ziels unbekannt sind, oder wenn die bekannten Mittel auf neue Weise zu kombinieren sind, aber auch dann, wenn über das angestrebte Ziel keine klare Vorstellungen existieren. (Dörner, D. (1983): Lohhausen: Vom Umgang mit Unbestimmtheit und Komplexität. Bern: Huber)
- Eine Situation wird dann als Problem erlebt, wenn eine Reaktion verlangt wird, die der Person nicht unmittelbar zur Verfügung steht, und zwar
- weil die Person nicht in der Lage ist, den Ausgangszustand klar und präzise zu analysieren, oder
- weil die Person keine klaren Vorstellungen über den Zielzustand hat, oder
- weil die Person zwar klare Vorstellungen über den Ausgangszustand und den Zielzustand hat, aber nicht über die Mittel verfügt, die Überführung zu bewältigen.
Die Psycholgie unterscheidet zwischen Problem und Aufgabe:
- Aufgaben sind geistige Anforderungen, für deren Bewältigung Methoden bekannt sind. Aufgaben erfordern nur reproduktives Denken, beim Problemlösen aber muss etwas Neues geschaffen werden. (Dörner, 1976, a.a.O.)
- Bei einer Aufgabe wird lediglich der Einsatz bekannter Mittel auf bekannte Weise zur Erreichung eines klar definierten Ziels gefordert. (Dörner, 1983, a.a.0)
- Aufgaben sind gelöste Probleme, denn für die Lösung von Aufgaben sind bereits Lösungen, Methoden bzw. Zielerreichungsstrategien vorhanden, die nur abgerufen werden müssen. (Dörner, 1976, a.a.O.)
Im konkreten Fall fällt die Unterscheidung, ob es sich um ein Problem oder eine Aufgabe handeln, bei jeder einzelnen Person individuell anders aus. Sie ist stark vom Vorwissen der Person abhängig. Offensichtlich entscheidet das Vorwissen und das Vermögen eines Individuums, effektive Operationen zur Bewältigung einer Aufgabenstellung anzuwenden, darüber, ob es sich um eine (Lern-) Aufgabe oder um ein Problem handelt. (Seel, N.M. (2003): Psychologie des Lernens. München: Ernst Reinhardt)
Zur Veranschaulichung ein Beispiel, welches die drei Bestandteile eines Problems aufzeigt und verständlich macht, dass der Unterschied zwischen Problem und Aufgabe fliessend ist:
Unerwünschter Ausgangszustand: Die Ausbildungsstätte informiert die Studierenden ungefähr nach der Hälfte der absolvierten Studienzeit über die für einen erfolgreichen Studienabschluss geforderte "grosse schriftliche Arbeit". Die Studierenden stehen nun vor der Herausforderung, dass sie bis zu einem bestimmten Termin ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen müssen; ohne gute schriftliche Arbeit können sie das Diplom nicht erhalten.
Erwünschter Zielzustand: Die Studierenden haben durch eine schriftliche Arbeit bewiesen, dass sie die benötigten Fähigkeiten besitzen und dadurch einen Anspruch auf das Berufsdiplom haben.
Barriere: Es gelingt den meisten Studierenden vorerst nicht, den erwünschten Zielzustand herzustellen. Sie wissen (noch) nicht recht, wie sie vorgehen müssen.
Für einzelne Studierende ist dies eine Aufgabe: Sie haben schon viele schriftliche Arbeiten geschrieben und kennen alle dafür notwendigen Mittel (vom gezielte Recherchieren in der Bibliothek über das Aufstellen einer sinnvollen Gliederung zum versierten Umgang mit dem Textverarbeitungsprogramm und seinen Finessen...) und können diese abrufen. Für andere ist dies ein Problem: Sie haben keine klare Vorstellung, wie die Arbeit am Schluss aussehen soll; sie wissen nicht recht, wie sie zu einem Thema kommen, sie wissen nicht, wie sie danach die Theorie-Praxis-Verbindung machen könnten etc.
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